Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Ein empörender Erbfall

Vorerst gerettet: Frisch beim Tierarzt abgeholt. © STS

Vorerst gerettet: Frisch beim Tierarzt abgeholt. © STS

(© STS)

 

Wenn Tierhalterinnen und -halter sterben, stellt sich die Frage: Was geschieht mit den Heimtieren? Wer unschöne Folgen vermeiden will, sollte rechtzeitig vorsorgen.

Simon Koechlin

Die Adventszeit ist die besinnlichste Zeit des Jahres. Doch was der Ehemann einer Mitarbeiterin des Schweizer Tierschutz  STS kurz vor Weihnachten von seinem Tierarzt hörte, als er bei ihm Medikamente holte, war wenig besinnlich. Am Nachmittag, erzählte dieser, komme eine Frau, um ihren Hund einschläfern zu lassen. Die Frau hatte das Tier eben erst geerbt, es hatte ihrer Mutter gehört und diese war am Tag zuvor gestorben. Der Hund, sagte der Tierarzt, sei zwar blind und zuckerkrank, jedoch sonst noch sehr lebensfroh. Der Ehemann der STS-Mitarbeiterin handelte rasch. Er organisierte – bei seinen Eltern – einen Platz für den Hund. Und als die Frau eintraf, konnten die Tierärzte sie davon überzeugen, den Hund abzugeben.

Dass die Frau den Hund am Tag nach dem Tod ihrer Mutter einschläfern lassen wollte, hat zwar, vorsichtig ausgedrückt, nichts mit weihnachtlicher Nächstenliebe zu tun. Verboten sei es jedoch nicht, sagt Lukas Berger vom Rechtsdienst des STS. «In der Schweiz gibt es keinen absoluten Schutz des Lebens der Tiere.» Die Besitzerin oder der Besitzer darf frei über das Leben des Haustiers entscheiden – auch wenn es gesund ist. Verboten ist es lediglich, ein Tier auf grausame Art oder aus Mutwillen zu töten, also beispielsweise in einem Wutanfall. Nicht erlaubt ist es auch, ein lebensfrohes Tier einzuschläfern, wenn es eine Interessentin oder einen Interessenten dafür gibt. «Hätte die Erbin also trotz des Aufnahmeangebots auf einer Euthanasie beharrt, hätte das eine Anzeige nach sich ziehen können», sagt Berger. 

Vorsorgen fürs Tier

Glücklicherweise sei sie selten mit solchen Beispielen konfrontiert, sagt ­Fabienne Häberli von der STS-Fachstelle Grizzly, die Seniorinnen und Senioren unterstützt. «Bei den meisten Anfragen, die wir bekommen, geht es darum, wie ältere Menschen zu Leb­zeiten gute Lösungen für ihre Heimtiere finden.» Darf ich meine Katzen mit ins Altersheim nehmen? Was kann ich tun, wenn ich gesundheitlich nicht mehr in der Lage bin, für den eigenen Hund zu sorgen und mit ihm spazieren zu gehen? Gibt es jemanden, der die Spaziergänge übernimmt?

Häberli hat zudem kürzlich mit dem Rechtsdienst des STS einen Testamentsratgeber für Menschen mit Tieren geschrieben. Denn viele Seniorinnen und Senioren treibe die Frage um, was mit ihrem Tier passiert, wenn sie einmal nicht mehr da sind. Zwar ist es nicht möglich, einem Heimtier sein Vermögen zu vererben. Trotzdem, sagt Häberli, gebe es Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass das Tier vom Nachlass profitiert. «Man kann zum Beispiel im Testament festhalten, wer sich nach dem Tod um das Tier kümmern soll und dieser Person zur Deckung der Unterhaltskosten einen Barbetrag vermachen.»

Vermächtnis mit Auflagen

Zwei Beispiele, wie solche Testamentspassagen lauten könnten: «Ich vermache meinen Hund Nero der Person  X. Für die Zeit, in der mein Hund bei dieser Person lebt, erhält sie aus dem Nachlass einen monatlichen Betrag in der Höhe von CHF 300.–.» Oder: «Ich vermache der Person  X ein Barvermächtnis in der Höhe von CHF 10 000.– mit der Auflage, dass sie sich um die Pflege und Betreuung meines Hundes Nero kümmert.» Eine solche Bestimmung würde verhindern oder zumindest erschweren, dass eine Erbfolgerin oder ein Erb­folger ein Tier einschläfern lässt.

Doch was, wenn eine ältere Person selbst ihrem Tier das Weiterleben nach ihrem eigenen Tod nicht ermöglichen möchte? Eine STS-Mitarbeiterin wurde vor einigen Jahren Zeugin eines solch krassen Falls. In einer Tierklinik hörte sie eine ältere Frau nachhaken, wie sie festhalten könne, dass ihr Hund mit ihr sterbe – dass er nach ihrem Tod eingeschläfert werde und mit ihr ins Grab komme. Die Klinik trug dies in die Akte der Kundin ein. 

Rechtswidrige Auflage 

Das sei ein ausserordentlicher Fall, etwas Ähnliches sei ihnen ansonsten noch nie begegnet, sagen sowohl ­Fabienne Häberli als auch Lukas Berger. Ob und wie diese Frau ihren Wunsch umgesetzt hat, ist unklar. Sollte sie aber ihre Nachkommen per Testament dazu aufgefordert haben, ihren Hund einschläfern zu lassen, wäre dies rechtswidrig, erklärt er. Die Nachkommen müssten eine solche Auflage nicht erfüllen, um das Erbe antreten zu können.

Der Fall des blinden und zucker­kranken Hundes hatte übrigens bloss ein halbes Happy End. Bei den Schwiegereltern der STS-Mitarbeiterin stellte sich heraus, dass er an einer unheilbaren Krankheit litt. Nach einiger Zeit war er so schwach, dass er wieder zum Tierarzt musste – dieses Mal, um wirklich eingeschläfert zu werden. Doch immerhin durfte er zuvor noch einige schöne Monate verbringen. 

Gegen missbräuchliche Euthanasie

Manchmal werden gesunde Haustiere eingeschläfert, weil es an Zeit, Platz oder Geld für die Versorgung fehlt. Das ist möglich, weil im Schweizer Gesetz ein expliziter Lebensschutz für Heimtiere fehlt. Tierschützerinnen und Tierschützer haben im März eine Petition beim Schweizer Parlament eingereicht, die verlangt, dass das Einschläfern gesunder Haustiere verboten wird.

Tags: Ausgaben/Tierreport 2/23, Erbrecht, Tiervorsorge, Testament

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