Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Problematisch: Rassekatzenboom in der Schweiz

  • Scottish Fold: Die «Faltohrkatze» trägt eine schmerzhafte und unheilbare Erbkrankheit in sich. (© Adobe Stock)

    Scottish Fold: Die «Faltohrkatze» trägt eine schmerzhafte und unheilbare Erbkrankheit in sich. (© Adobe Stock)

  • Nacktkatze: Dieser – auch Sphynx genannten – Katze fehlen neben dem Fell die so wichtigen Tasthaare. (© Adobe Stock)

    Nacktkatze: Dieser – auch Sphynx genannten – Katze fehlen neben dem Fell die so wichtigen Tasthaare. (© Adobe Stock)

  • Exotic Shorthair: Stark verkürzter Kopf kann unter anderem zu Atembeschwerden,  Zahnfehlstellungen und ständigem Tränenfluss führen. (© Adobe Stock)

    Exotic Shorthair: Stark verkürzter Kopf kann unter anderem zu Atembeschwerden, Zahnfehlstellungen und ständigem Tränenfluss führen. (© Adobe Stock)

Scottish Fold: Die «Faltohrkatze» trägt eine schmerzhafte und unheilbare Erbkrankheit in sich. (© Adobe Stock)

Die Zahl der Rassekatzen in der Schweiz steigt stark. Beim Kauf solcher Tiere ist jedoch Vorsicht geboten: Oft werden Kätzchen unter erbärmlichen Bedingungen gezüchtet – oder es werden Rassen angeboten, die unter Zuchtschäden leiden. Der Schweizer Tierschutz STS setzt sich für schärfere Vorschriften ein.

Dr. phil. Arlette Niederer, Zoologin, STS-Fachstelle Heimtiere

Die Katzenpopulation in der Schweiz wächst in den letzten Jahren sprunghaft. Ein Teil dieser Zunahme ist darauf zurückzuführen, dass Rassekatzen in der Schweiz immer beliebter werden. Dies zeigt ein Blick auf die Statistik von Identitas, welche die Entwicklung der regi­strierten Katzen in der Schweiz aufzeigt. Demnach hat sich die Anzahl an Rassekatzen in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Seriöse Züchterinnen und Züchter aus der Schweiz können diese gesteigerte Nachfrage bei Weitem nicht decken. Und so hat sich von 2019 bis 2022 die Zahl der aus dem Ausland importierten registrierten Rassekatzen mehr als verfünffacht!

Der Rassekatzenhandel ist allerdings – was vielen Menschen nicht bewusst ist – mit der gleichen Tierschutzproblematik behaftet wie der Hunde­handel. Die Tiere aus dem Ausland stammen meist aus Zuchten respektive Vermehrungsstätten, in denen Katzen unter erbärmlichen Bedingungen gehalten und gezüchtet werden. Über Onlineplattformen oder die sozialen Medien werden die Kätzchen zum Verkauf angeboten. Meist sind sie nur wenige Wochen alt und werden verkauft, wenn der Jöh-Effekt am grössten ist – ohne Rücksicht darauf, dass die Trennung von den Muttertieren dadurch viel zu früh erfolgt. 

Unseriöse Anbieter sind häufig

Aber auch beim Kauf einer Rassekatze in der Schweiz ist höchste Vorsicht geboten. Denn längst nicht immer handelt es sich bei den Anbietern um seriöse Züchter. Oftmals stammen die angeblich in der Schweiz in einer familiären Umgebung gezüchteten Kätzchen in Wahrheit ebenfalls aus dem Ausland. Und die zum Teil vor Ort lebenden erwachsenen Tiere sind nicht wie den Käuferinnen und Käufern weisgemacht wird die Elterntiere. Ein Blick auf die Onlineplattformen zeigt, dass einige der Rassen, die im Trend liegen, den Extremzuchten zuzuordnen sind. Das heisst, dass die herangezüchteten äusseren Merkmale für die Katzen mit körperlichen Belastungen und Schmerzen verbunden sind. So etwa die zurzeit äusserst beliebte Scottish Fold. Das Rassemerkmal dieser Katze sind die nach vorn gekippten Ohrmuscheln. Der Kopf erscheint dadurch rundlicher und wird von vielen als niedlich empfunden. Der Gen­defekt, der für die Faltohren verantwortlich ist, verursacht aber oft gleichzeitig im ganzen Körper Knorpel- und Knochenschäden, die sogenannte Osteochondrodysplasie. 

Steifer Gang und fehlendesOhrenspiel

Betroffene Katzen leiden unter schmerzhaften Gelenkentzündungen und Knochendeformationen. Die Gelenke sind häufig geschwollen und die Knochen der Extremitäten sowie des Schwanzes verdickt. Aufgrund der starken Schmerzen bewegen sich Scottish Fold weniger, können schlechter klettern und weisen einen steifen Gang auf. Die Erkrankung ist unheilbar und verschlimmert sich im Lauf des Lebens. Die geknickten Ohr­muscheln hindern die Katzen zudem daran, ihre Ohren nach einer Schallquelle auszurichten und verunmöglichen ihnen die wichtige arttypische Kommunikation über das Ohrenspiel.

Die Scottish Fold ist ein gutes Beispiel für eine Rasse, die dadurch entstanden ist, dass eine körperliche Anomalie, die durch einen zufälligen genetischen Defekt aufgetreten ist, zum rassebestimmenden erstrebenswerten Merkmal erhoben wird. Ohne Rücksicht darauf, ob dies für die Katzen mit Leid verbunden ist.

Der enorme Zuwachs von Rasse­katzen in der Schweiz spielt sich grösstenteils von der Öffentlichkeit unbemerkt ab, denn ein Grossteil dieser Tiere wird ausschliesslich in Wohnungen gehalten. Nacktkatzen oder Katzen mit stark verkürzten Schnauzen wie Perser oder Exotic Shorthair, um nur zwei Beispiele zu nennen, begegnen uns kaum im Freien. Und noch nicht einmal Tierärztinnen und -ärzte oder Veterinärbehörden, die von Berufs wegen mit Katzen zu tun haben, wissen, wie viele Rassekatzen tatsächlich in der Schweiz leben. Denn anders als bei den Hunden gilt für Katzen bis heute keine Registrierungspflicht. Man schätzt, dass nur etwa ein Drittel der Katzenhalterinnen und -halter ihre Katzen registrieren lässt. Es kann vermutet werden, dass dieser Anteil bei den Rassekatzen noch kleiner ist. Denn eine Hauptmotivation für das Chippen ist es, dass im Freien aufgefundene Katzen wieder ihrer Besitzerin oder ihrem Besitzer zugeordnet werden können. Diese Notwendigkeit entfällt bei der Wohnungshaltung.

Mindestabgabealter und Registrierungspflicht

Zurzeit sind viele Tierheime an ihren Kapazitätsgrenzen, was die Aufnahme von Katzen anbelangt. Viele «normale» Hauskatzen suchen dort ein neues Zuhause. Als Ursache hierfür gilt die Corona­zeit, während der sich viele Menschen unbedacht eine Katze angeschafft haben, die sie nun wieder loswerden wollen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Trend hin zur Rassekatze in Zukunft – oder vielleicht bereits jetzt – dazu führt, dass Hauskatzen schwieriger zu vermitteln sind.

Nacktkatze: Dieser – auch Sphynx genannten – Katze fehlen neben dem Fell die so wichtigen Tasthaare. (© Adobe Stock)

Exotic Shorthair: Stark verkürzter Kopf kann unter anderem zu Atembeschwerden, Zahnfehlstellungen und ständigem Tränenfluss führen. (© Adobe Stock)

Der Schweizer Tierschutz STS versucht die Bevölkerung mittels Öffentlichkeitsarbeit auf die Tierschutzproblematik rund um Rassekatzen aufmerksam zu machen. Er vertritt aber auch die Meinung, dass unbedingt verschärfte Vorschriften erlassen werden müssen. So existiert bis heute kein Mindestabgabealter für Katzen. Davon profitieren skrupellose Händler, die kleine, süsse Kätzchen besonders leicht verkaufen können. Es ist bekannt, dass Kätzchen, die zu früh von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt werden, nicht nur unter körperlichen Folgen leiden, sondern in ihrem späteren Leben auch verstärkt zu Verhaltensauffälligkeiten neigen. Daher fordert der STS ein gesetzlich geregeltes Mindestabgabealter. Ausserdem befürwortet er die Einführung einer Registrierungspflicht für Katzen. Dies würde neben all den anderen positiven Aspekten erstmals erlauben, sich ein Bild darüber zu verschaffen, wie viele Katzen welcher Rassen tatsächlich in der Schweiz leben.

Tags: Katzen, Tierreport 4/23

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