Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Federleicht, doch oft schwere Tierquälerei

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Hinter den Wärme spendenden Daunen in Bettzeug und Jacken steckt ein eiskaltes Milliardengeschäft. Leidtragende sind Gänse und Enten, die unter schlimmen Bedingungen gehalten und bis zuletzt ausgenutzt werden.

Matthias Brunner

Gerade im Winter, wenn es draussen kalt ist, mögen es viele Menschen, sich zum Schlafen unter ein kuschelig warmes Daunenduvet zu legen. Während die Anbieter von Outdoorbekleidung schon längst die Vorteile der isolierenden und gleichzeitig leichten Daunen erkannt haben, liegen Daunenjacken auch stark im Trend bei der Wintermode. Zum Füllen der Kleidungsstücke werden vorwiegend die feinen Federchen aus dem Unterkleid von toten Gänsen und Enten verwendet.

Doch hinter der Leichtigkeit dieser bequemen Jacken, Mäntel, Kissen, Decken oder Schlafsäcke verbirgt sich oft ein schweres Tierleid. Noch immer scheint der sogenannte Lebendrupf eine weitverbreitete Praxis zu sein. Dabei wird der Vogel kopfüber zwischen die Knie geklemmt, und bei vollem Bewusstsein werden ihm die Federn ausgerissen. Das Ganze geschieht im Akkord oder sogar maschinell. Nebst der Todesangst, welche die Tiere dabei ausstehen, führt die brutale Behandlung oft zu blutenden Hautwunden, wenn aus Versehen auch grössere Federn oder Hautfetzen mit ausgerissen werden.
In Ländern wie Frankreich, Ungarn oder Polen erleiden die Vögel oft eine doppelte Tortur, wie Tierschützer immer wieder berichten: Nebst dem, dass die Gänse für die begehrte Stopfleber gemästet werden, müssen sie während ihres kurzen Lebens noch bis zu viermal für das grausame Rupfen der Federn hinhalten. Perfide: Gemäss Daunenexperten steigert sich mit jedem Nachwachsen die Qualität der feinen Federchen.

Juristische Tricks

In der Schweiz sind derartig tierquälerische Praktiken zum Glück verboten – jedoch nicht der Import von auf diese Weise produzierten Waren. Auch in der EU ist der Lebendrupf unzulässig – eigentlich. Doch die starke Lobby der Daunen- und Federnbranche hat es geschafft, ein Schlupfloch in die Richtlinie einzubringen: Spitzfindig wird zwischen «Ausrupfen» und «Raufen» unterschieden. Letzteres ist erlaubt und bezeichnet lediglich das «Entnehmen» der Federn während der Mauser, also dem natürlich wiederkehrenden Federwechsel. Es muss allerdings zumindest stark bezweifelt werden, dass die Züchter genau diesen Zeitpunkt abwarten, denn nicht alle Tiere kommen gleichzeitig in die Mauser. «Und selbst wenn dem so wäre, erspart dieser Umstand den Tieren nicht die Angst und Panik, die sie durch den Rupfprozess erleiden», erklärt die STS-Wildtierexpertin Sara Wehrli. Eine gesetzliche Deklarationspflicht für die Herkunft und Produktionsart von Daunen besteht zudem bis jetzt weder in der Schweiz noch in der EU.

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Wenig Kontrollmöglichkeiten

Rund achtzig Prozent der Gänse- und Entendaunen stammen heute vermutlich aus China – einem Land also, in dem Tierschutz noch nicht einmal im Gesetz vorgesehen ist. Mittlerweile werden in der Bekleidungsindustrie überwiegend Entendaunen verwendet. Dabei werden die Vögel zwar nicht lebendig gerupft, aber wie Gänse in riesigen Farmen auf Stopfleber gemästet und nicht tiergerecht gehalten.
Die Nachfrage nach Daunen steigt ständig. Schon für eine einzige Bettdecke müssen 40 Gänse gerupft werden, für eine Jacke braucht es die Federn von 25 Enten. Deshalb sind die Preise für Rohdaunen in den letzten Jahren geradezu explodiert. Es dreht sich um ein globales Milliardengeschäft, das von Grosshändlern beherrscht wird. Für diese zählt nebst dem Preis vor allem die Qualität der Daunen, die Herkunft oder Haltung der Tiere spielt dabei kaum eine Rolle. Daunen von verschiedenen Produzenten werden bisweilen miteinander vermischt, sodass sich am Ende Daunen aus Lebendrupf und Totrupf nicht mehr voneinander unterscheiden lassen.

Hersteller von Bettwaren wie auch die Kleiderbranche haben zwar inzwischen auf das Thema Lebendrupf reagiert. Mit unterschiedlichen Labels, Qualitätsgarantien und Deklarationen wie «Kein Lebendrupf» oder «Aus nachhaltiger Gänsezucht» versuchen sie, die Konsumierenden zu überzeugen. Doch laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest von 2013 konnte von zehn Anbietern kein einziger glaubwürdig nachweisen, dass die Daunen tatsächlich ausschliesslich von toten Tieren stammen. Der Verband der Schweizer Bettwarenfabriken (VSB) beruft sich darauf, «dass alle Lieferanten der VSB-Mitgliedsfirmen in der Lage sein müssen, bei allen Federn- und Daunenlieferungen die konkrete Herkunft der Rohware darzulegen.»
Nach Einschätzung des STS ist der 2014 eingeführte Responsible Down Standard (RDS) das bisher einzige bekannte zuverlässige Zertifizierungssystem. RDS ist aus der Zusammenarbeit von Tierschutzgruppen, Experten, Firmen und Handelsorganisationen entstanden. Zu den Bedingungen gehört nicht nur, dass ausschliesslich Totrupf zugelassen ist, sondern auch ein Verbot der Zwangsfütterung der Tiere, zudem gelten Tierwohlvorschriften, die vom Schlüpfen bis zur Schlachtung reichen. Die Daunen werden kontrolliert und identifiziert, um eine Vermischung mit nicht zertifizierten Daunen zu vermeiden. Die unabhängige Non-Profit-Organisation Textile Exchange hat die Verantwortung über die gesamte Wertschöpfungskette vom Küken bis zum Schlachthof übernommen.

Wer lieber ganz auf Daunen verzichten will, findet inzwischen bei Duvets und Schlafkissen auch gute Alternativen aus Naturfasern wie Schafwolle, Bambus, Mais oder Baumwolle. Schwieriger ist es beim Ersatz für Daunenjacken. Einen Rat weiss Sara Wehrli dennoch: «Der Outdoorbekleider Ortovox beispielsweise stellt Trekking- und Skijacken her, die mit Schweizer Schafwolle gefüllt sind und deren wärmende Eigenschaften mit jenen von Daunenjacken vergleichbar sind.»

 

Weitere Informationen zu Daunen, Wolle, Leder und Pelz finden Sie im
aktuellen STS-Flyer «Was Mode- und Tierfreunde wissen müssen».
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