Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Eine «Delikatesse» mit Tierqualgarantie

  • Bon appétit: Konsumentinnen und Konsumenten sind mitverantwortlich fürs Artensterben. (© Adobe Stock)

    Bon appétit: Konsumentinnen und Konsumenten sind mitverantwortlich fürs Artensterben. (© Adobe Stock)

Bon appétit: Konsumentinnen und Konsumenten sind mitverantwortlich fürs Artensterben. (© Adobe Stock)

Der Verzehr von Froschschenkeln kann Ihre Gesundheit gefährden. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Schweizer Tierschutz STS.

Dr. sc. nat. Samuel Furrer, Zoologe, STS-Geschäftsführer Fachbereich

Eine aktuelle Studie des Schweizer Tierschutz STS belegt Erschreckendes: Einige der untersuchten Froschschenkel enthielten das Pestizid Diethyltoluamid, das zur Insektenbekämpfung eingesetzt wird. Zudem stimmte das Produkt nicht immer mit der auf der Verpackung deklarierten Froschart überein. Wer also weiterhin auf Froschschenkel als Bestandteil seines Festtagsmenüs beharrt, muss sich nicht nur des immensen Tierleids bewusst sein, das mit der Gewinnung (Fang, Haltung und Tötung) der Frösche einhergeht, sondern akzeptiert gleichzeitig das Risiko, giftige Pestizidrückstände zu essen. Bon appétit!

Mehrere Hundert Millionen Frösche werden alljährlich qualvoll getötet. Gegessen werden meist nur ihre Schenkel, der Rest wird weggeworfen. Noch heute werden den Fröschen – meist bei lebendigem Leib – die Beine abgeschnitten. Die Tiere verbluten danach unter grossen Schmerzen und bei vollem Bewusstsein. Es gibt keine internationalen Standards für eine tiergerechte Gewinnung, Haltung und Tötung von Amphibien. Entsprechend existiert auch keine Zertifizierung, die eine vertretbare Herstellung nachweisen könnte. Zudem sind die Produktionsstätten in den meisten Fällen gar nicht bekannt. Neben der Tierschutzproblematik bestehen aber auch massive Risiken in den Bereichen Arten- und Naturschutz. Die massive Entnahme insektenvertilgender Frösche führt zur unkontrollierten Zunahme von Landwirtschaftsschädlingen, was folglich den Einsatz giftiger Pestizide nötig macht – mit schädlichen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Und hinsichtlich Artenschutz kommt eine aktuelle Studie zum Schluss, dass gewisse Wasserfroscharten in der Türkei innerhalb der nächsten zehn Jahre auszusterben drohen, wenn die Übernutzung ihrer Bestände ungebremst anhält.

Die Schweiz importiert jährlich rund 65 000 Kilogramm Froschschenkel und lebende Frösche. Sie hat einen nicht unerheblichen Anteil am Weltmarkt (> 1 Prozent) und trägt somit auch Mitverantwortung hinsichtlich der oben erwähnten Probleme.

Der Schweizer Tierschutz STS hat in der Schweiz angebotene Froschschenkelprodukte auf ihre Artzugehörigkeit und auf allfällige Pestizidrückstände untersuchen lassen. Dabei sind wir auf interessante Befunde gestossen. 

Falsche Deklaration der Froschart

Mittels genetischer Untersuchungen wurden Proben der Froschschenkel untersucht und einer Art zugeordnet. Nicht immer entsprach das Resultat der Art­deklaration auf der Verpackung. Bei ­Le Dragon wurden zwei zusätzliche Froscharten nachgewiesen. Es ist anzunehmen, dass in den Ursprungs­ländern Wildfänge beliebig eingesammelt werden, ohne dass die Fänger Kenntnis darüber haben, welche Arten sie fangen. Was gross genug ist, wird eingesammelt, allenfalls getötet und exportiert. Die Angaben des Schweizer Importeurs von Lebend­fröschen Fivaz Vallorbe SA sind ebenfalls nicht korrekt, sind aber zumindest teilweise der herausfordernden Nomenklatur dieser Wasser­froschgruppe zuzuschreiben.  

Übernutzung

Noch heute werden den Fröschen – meist bei lebendigem Leib – die Beine abgeschnitten. Die Tiere verbluten danach unter grossen Schmerzen und bei vollem Bewusstsein.

Viele Froscharten sind durch Übernutzung gefährdet. Eine ungebremste Übernutzung kann rasch zu einer kritischen Reduktion der Population führen. So wurde bereits prognostiziert, dass der nur in der Türkei vorkommende Anatolische Wasserfrosch (P.  caralitana) in den nächsten zehn Jahren ausgerottet sein könnte, sollte er weiterhin so stark bejagt werden. Bei den Froscharten aus Indonesien zeigt sich die Problematik auch anderswo. Werden absichtlich oder unabsichtlich exportierte Froscharten falsch deklariert, so gibt es kaum Möglichkeiten, den Handel im Hinblick auf den Artenschutz anzupassen. Offiziell exportiert Indonesien seit 2017 keine Java Zahnfrösche (L.  macrodon) mehr. Offensichtlich tun sie dies aber doch – und wohl in grossen Mengen. Auch bei dieser Froschart zeigen die Populationstrends steil nach unten.

Giftige Frösche?

Studien aus Europa haben gezeigt, dass für den Verzehr importierte Frösche teilweise beträchtliche Mengen an Pestiziden, Insektiziden und Herbiziden, aber auch Quecksilber und Antibiotika enthielten. Diese Mittel werden verbreitet eingesetzt, um die Reisfelder und andere Kulturen zu schützen. In diesen Habitaten leben oft auch Frösche, die für den Froschschenkelexport eingesammelt werden. Frösche sind natürliche Insektenvertilger. Je weniger Frösche es jedoch hat, umso höher wird die Insektenbelastung und desto mehr Giftstoffe werden eingesetzt. Unter dem Gifteinsatz leiden nicht nur die Frösche in diesem System (Fehlentwicklungen, höhere Sterblichkeit, Unfruchtbarkeit etc.), sondern auch die Bauern, welche die Gifte oft ohne Schutzbekleidung ausbringen. Und schliesslich werden diese Giftstoffe natürlich auch durch die Konsumentinnen und Konsumenten der Froschschenkel aufgenommen.

Die durch den STS in Auftrag gegebene Analyse zeigt, dass in der Schweiz erhältliche Produkte stark mit Pestiziden belastet sein können. Der Wirkstoff Diethyltoluamid ist in der Schweiz nicht geregelt. Es gilt somit ein Rückstandshöchstgehalt von 0,01 Milligramm pro Kilogramm. Die hier nachgewiesenen Werte liegen weit darüber. Diethyltoluamid gilt zwar nicht als für den Menschen stark giftig, es wird als Insektenabwehrmittel eingesetzt. Jedoch kann das Produkt unter anderem die Haut reizen, die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen oder zu Schlaflosigkeit führen. Zudem ist bei der Anwendung bei Kindern und Schwangeren Vorsicht geboten. Wer also sollte sich dieses Gift wissentlich zuführen wollen?

Bald ausgestorben? Anatolischer Wasserfrosch. (© Wikipedia)

Wer will noch Froschschenkel essen?

Wer Froschschenkel isst, ist nicht nur mitverantwortlich für zahlloses Tierleid, das beim Einsammeln, beim Transport und der Tötung der Frösche passiert. Durch die unkontrollierte und mehrheitlich unregulierte Übernutzung der Bestände sind Konsumentinnen und Konsumenten auch treibende Kraft im Artensterben. Abschliessend stellt sich die Frage, ob man wirklich Lust hat, pestizidverseuchte Produkte zu essen. Aus Tierschutz-, Artenschutz-, Umweltschutz- und Eigenschutzperspektive betrachtet ist die Antwort eindeutig. Wie entscheiden Sie?

 Produkt Herkunft und Artbezeichnung Nachgewiesene Art Nachgewiesene Pestizid­rückstände (über Grenzwert)
Le Dragon, Stutzer & Co. AG  Indonesien, Fejervarya cancrivora Fejervarya cancrivora
Limnonectes macrodon
Limnonectes kadarsani
 –
Nature & Fresh, Bischofberger AG  Vietnam, Hoplobatrachus rugulosus Hoplobatrachus rugulosus   –
Maison Thiriet Indonesien, Fejervarya cancrivora Fejervarya cancrivora 0,024 mg/kg Diethyltoluamid
Amanda Seafood Company,
Froschschenkel roh
 Vietnam, Hoplobatrachus rugulosus Hoplobatrachus rugulosus  – 
 Fivaz Vallorbe SA, cuisses fraîches  Türkei, Rana esculenta Pelophylax bedriagae/caralitana
Fivaz Vallorbe SA, cuisses désossées  Türkei, Rana esculenta Pelophylax bedriagae/caralitana – 

Tags: Tierreport 4/23, Froschschenkel

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