Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
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Neue Chance für Labortiere

Neugierig: Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase erkunden die Ratten ihr neues Umfeld.

Neugierig: Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase erkunden die Ratten ihr neues Umfeld.

Neugierig: Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase erkunden die Ratten ihr neues Umfeld. © Club der Rattenfreunde CH

Labortieren wird im Rehoming-Projekt ein zweites Leben geschenkt. Jetzt soll das beispielhafte Programm zwischen Schweizer Tierschutz STS und Universität Zürich UZH ausgebaut und auf neue Tierarten ausgeweitet werden.

Dr. med. vet. MLaw Julika Fitzi-Rathgen, Leiterin STS-Fachstelle Tierversuche und tierärztliche Beratungsstelle
Laura Schiesser, STS

Seit 2018 werden Labortiere, vor allem Kleinnager wie Ratten und Mäuse, in das Rehoming-Projekt übernommen und an private Tierhalterinnen und -halter vermittelt. Basis ist ein Fördervertrag zwischen dem Schweizer Tierschutz STS und der Universität Zürich. Ziel ist es, geeigneten Tieren aus dem Tierversuch ein neues Leben an guten Plätzen zu vermitteln. Das Rehoming-Projekt steht grundsätzlich allen Labortierarten offen – es können aber längst nicht alle Labortiere in Privathaushalte vermittelt werden.

Mäuse an der Spitze

Exakt 1 300 080 Tiere wurden 2019 in Schweizer Labortierhaltungen gehalten, davon waren 1219514 Labornager (Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Gerbils, Hamster). Mehr als siebzig Prozent davon sind gentechnisch verändert. 2019 wurden mehr als doppelt so viele Tiere in Labortierhaltungen geboren (1046877) oder dorthin importiert (252 203), als tatsächlich in Tierversuchen eingesetzt wurden (572 069 Tiere). Die Maus ist das am häufigsten gehaltene Versuchstier: sie macht knapp neunzig Prozent aller in Versuchstierhaltungen im Jahr 2019 erfassten Tiere aus. Zwei Drittel davon sind gen­manipuliert. Am zweithäufigsten werden Ratten gehalten.

Nicht für alle Tiere

Von den 572 069 bei Tierversuchen eingesetzten Labortieren waren rund 400 000 Mäuse und circa 70 000 Ratten, hinzu kommen weitere Säugetiere, Fische und Vögel. Viele von ihnen überleben die Experimente, werden anschliessend jedoch trotzdem euthanasiert, meist aus wissenschaftlichen Gründen. Dabei kämen viele für das Leben in privaten Haushalten infrage. Doch weil gentechnisch veränderte und auch mittel bis schwer belastete Tiere nicht ins Rehoming dürfen (gesetzliche Auflagen), bleiben eher wenig geeignete Tiere für die Vermittlung in Privathaushalte übrig. Zudem scheint für Forschungsinstitutionen und Forschende der Aufwand oft zu gross, um für diese beschränkte Auswahl an Labortieren eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit nach ihrer Zeit als Versuchstier zu suchen.

Erfolge mit Ratten

Ein Meilenstein in diesem Bereich konnte im Herbst 2018 gesetzt werden, als zwischen dem Schweizer Tierschutz STS und der Universität Zürich UZH ein Fördervertrag aufgesetzt wurde. Tiere, die nicht gentechnisch verändert und/oder in mittel bis schwer belastenden Tierversuchen verwendet wurden, können an den Schweizer Tierschutz STS überschrieben werden. Zusammen mit seinen Sektionen kümmert sich dieser um geeignete Plätze für die spätere Vermittlung an Privatpersonen. Seither konnten bereits knapp zweihundert Ratten und vierzig Mäuse sowie drei Kaninchen ins Rehoming-Projekt übernommen und viele von ihnen auch schon an neue Besitzerinnen und Besitzer vermittelt werden. Vor allem die STS-Sektion «Club der Rattenfreunde CH», die 1995 gegründet wurde, hat einen grossen Beitrag zum Aufbau dieses Projekts geleistet. Weit mehr als die Hälfte aller Ratten wurde an diese Sektion zur Vermittlung an geeignete Lebensplätze übergeben.

Viel Zeit notwendig

Auch andere Sektionen sind bereit, Labortieren eine zweite Chance zu geben und sich für geeignete Lebens­plätze für die Tiere zu engagieren. Wichtig ist, dass die neuen Besitzerinnen und Besitzer den Tieren viel Zeit und Geduld entgegenbringen, damit sich diese langsam an ihre neue Umgebung gewöhnen können. Zwar sind die meisten Tiere, die ins Rehoming-Projekt kommen, mehr oder weniger handzahm, brauchen aber trotzdem Zeit, um die neuen Reize verarbeiten zu können. Ratten etwa sind von Natur aus sehr neugierige Tiere, die früher oder später ihre Umgebung ganz von allein erkunden. Man sollte es auf jeden Fall vermeiden, die Tiere zu etwas zu drängen, indem man sie einfach aus ihren Verstecken holt. Weiter muss darauf geachtet werden, dass sie sich vorsichtig an neues, abwechslungsreiches Futter gewöhnen, denn im Labor erhalten sie nur eine Sorte Pellets. Füttert man ihnen zu schnell zu viele verschiedene Futtersorten, kann dies zu Problemen führen.

Rehoming auch für Hunde und Katzen

Weil das Projekt und die Zusammenarbeit so gut angelaufen sind, sind mittlerweile Bestrebungen im Gange, weitere Labortiere ins Rehoming zu nehmen. Der STS möchte sein Rehoming-­Projekt sowohl auf weitere Labortierarten als auch auf die Zusammenarbeit mit weiteren Labortierhaltungen ausweiten. Denkbar und gut geeignet wären für ein Rehoming auch Tierarten wie Hunde und Katzen, Fische (z. B. die in Tierversuchen häufig genutzten Zebra­fische), aber auch Krallenfrösche und Vögel sowie Nutztiere wie beispielsweise Schafe. Alle diese Tiere werden bereits von den STS-Sektionen aus Privathaushalten oder Beschlagnahmungen aufgenommen und an neue Lebensplätze vermittelt; die vielen Erfahrungen hieraus könnten also auch für die Vermittlung von Labortieren genutzt werden.

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